Lagebild zur Clankriminalität 2022 veröffentlicht

25.08.2023
Beitrag

Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA NRW) veröffentlicht regelmäßig das Lagebild Clankriminalität - eine umfassende Analyse der aktuellen Situation in Bezug auf kriminelle Aktivitäten von kriminellen Großfamilien in Nordrhein-Westfalen.

Seit 2018 bietet das Lagebild jedes Jahr aufs Neue einen tiefen Einblick in die Tendenzen, Muster und Veränderungen im Bereich der Clankriminalität, gestützt auf die von der Polizei erfassten Straftaten und Tatverdächtigen. Dieses Lagebild unterstützt die Strafverfolgungsbehörden bei der Entwicklung und Anpassung von Strategien zur Bekämpfung dieser Kriminalitätsform und hilft politischen Entscheidungsträgern bei der effektiven Ressourcenverteilung und der Planung präventiver Maßnahmen.

Das LKA NRW hat nun das Lagebild Clankriminalität für 2022 veröffentlicht. Es zeigt einen Anstieg von Straftaten und Tatverdächtigen mit Clanbezug im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt wurden 6.573 Straftaten mit Clanbezug registriert, ein Anstieg um 20,3 Prozent im Vergleich zu 2021. Bei diesen erschreckenden Zahlen muss jedoch beachtet werden, dass die Kriminalität in Corona-Zeiten grundsätzlich stark zurückging, der Anstieg beschreibt somit auch eine Korrektur dieser besonderen Zeit.

30,9 Prozent aller Straftaten sind laut LKA vor allem Rohheitsdelikte (z.B. Raub, Körperverletzung) und Straftaten gegen persönliche Freiheit. 14,9 Prozent waren Vermögens- und Fälschungsdelikte, 14,6 Prozent Diebstähle. Die Statistik zählt auch 24 „Straftaten gegen das Leben“, darunter Mord und Totschlag - wobei Versuche mit dazu zählen.

Die Zahl der Tatverdächtigen mit Clanbezug stieg um 11,2 Prozent auf 4.035 Personen. Die meisten Tatverdächtigen sind männlich, zwischen 26 und 30 Jahre alt. Der Anteil syrischer Tatverdächtiger ist gestiegen. Die Polizei führte im Jahr 2022 über 1.570 Objektkontrollen in 615 Razzien durch. Darunter waren mehr als 220 Shisha-Bars, 60 Restaurants, 30 Spielhallen und 90 Wettbüros. Über 23 Prozent der kontrollierten Objekte wurde unter anderem wegen fehlender Konzessionen, aufgrund von Hygienemängeln oder wegen baurechtlicher Mängel geschlossen. Die meisten Straftaten wurden im Ruhrgebiet, insbesondere in Essen, Recklinghausen und Gelsenkirchen, registriert. Laut diesem Berichtsjahr ist Essen die Stadt mit den meistenStraftaten (11,2 %) sowie Tatverdächtigen (11,9 %) und verzeichnet sogar im Vergleich zum Vorjahr den größten Anstieg der Straftaten.

Die Sicherheitskooperation Ruhr (SiKo-Ruhr) hat sich bewährt, indem sie Informationen vernetzt und Ermittlungserfolge erzielt hat. Das LKA NRW hat die Liste der Clannamen erweitert und untersucht, ob eine Erweiterung des Lagebildes um weitere Clanstrukturen notwendig ist.

Das Lagebild zeigt auch, dass es gewaltsame Auseinandersetzungen unter Clanmitgliedern gab.

Aber auch eine andere Entwicklung lässt sich aus dem Lagebild ablesen: Vor drei Jahren begann Nordrhein-Westfalen als Vorreiter ein Aussteigerprogramm für junge Menschen aus kriminellen Clans. Dieses Programm, als Teil des Aussteigerprogramms "Kurve kriegen" zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren, die aus polizeibekannten Clanfamilien oder deren Umfeld stammen, vor kriminellen Strukturen zu bewahren. Laut dem neuen Lagebild sind mittlerweile 39 Teilnehmer in Städten wie Bochum, Essen und Gelsenkirchen aktiv. Das Projekt dient als präventiver Ansatz, um Alternativen zur Kriminalität aufzuzeigen. Es wird auch international übernommen, wie in Schweden mit dem Programm "Rätt Kurva".

Mit Blick auf den signifikanten Anstieg der Straftaten mit Clanbezug hält der CDU-Landtagsabgeordnete Sascha Lienesch die Null-Toleranz-Strategie von NRW-Innenminister Herbert Reul MdL für absolut richtig. Das Lagebild zeigt seiner Ansicht nach zudem, dass eine erhöhte Aufdeckung von bisher unentdeckten Straftaten erfolgt.

Die Beschlagnahmung illegitimer Vermögenswerte der Familien stellt für sie einen empfindlichen Punkt dar, da sie auf finanzieller Basis operieren. Die Bekämpfung der Clankriminalität erfordert erhebliche personelle Ressourcen, die über die üblichen kriminalpolizeilichen Kapazitäten hinausgehen. Dies unterstreicht aus Sicht des Innenpolitikers Sascha Lienesch noch einmal die Notwendigkeit, die Polizeikräfte in ihrer Gesamtheit zu stärken.